Honorarvorgaben der HOAI bei Vergaben des Bundes nicht verbindlich
Nachdem der EuGH in seinem Urteil vom 4. Juli 2019 festgestellt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG verstoßen hat, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren in der HOAI beibehalten hat, ergibt sich für den Bund das Verbot, die EU-rechtswidrigen Vorschriften über die verbindlichen Honorare nach der HOAI weiter anzuwenden und die Pflicht, dem Urteil des EuGH innerstaatlich Geltung zu verschaffen.
2. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 30.08.2019, VK 2 – 60/19
Aus den Entscheidungsgründen:
Stellt danach der EuGH fest, dass ein Mitgliedstaat gegen Verpflichtungen aus den Verträgen verstoßen hat, hat der Mitgliedstaat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des EuGH ergeben. Dementsprechend haben auch die nationalen Gerichte aufgrund der verbindlichen Wirkung des feststellenden Urteils des EuGH den Maßgaben des Urteils Rechnung zu tragen. Dementsprechend gilt dies auch für die vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen.
Die unmittelbare Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie ist im Verhältnis zwischen Bürgern und staatlichen Stellen zulässig und daher auch im hiesigen Nachprüfungsverfahren geboten. Hier betrifft dies das Verhältnis zwischen der ASt und der Ag als öffentlicher Auftraggeberin. Die Berufung durch einen Bieter in einem Vergabeverfahren auf die Vorschriften der Dienstleistungsrichtlinie sind nach Art. 288 Abs. 3 AEUV gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat möglich, an den sie gerichtet ist. Das ist hier bei der Ag, mithin dem Bund selbst, der Fall, ohne dass es auf die Form des staatlichen Handelns ankommt.
Es liegt hier somit kein Fall einer bloß richtlinienkonformen Auslegung der Dienstleistungsrichtlinie in einem privatrechtlichen Verhältnis vor, wie sie im Nachgang zum Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 durch verschiedene Obergerichte mit unterschiedlichem Ergebnis für zivilrechtliche Streitigkeiten in Honorarprozessen nach der HOAI entschieden wurde
Das streitgegenständliche Vergabeverfahren leidet an dem hier von Amts wegen aufzugreifenden Mangel, dass für das Zuschlagskriterium des Preises und die hierfür erforderliche Honorarkalkulation durch die Bieter zumindest teilweise das verbindliche Preisrecht der HOAI anzuwenden und von der Ag vorgegeben war. Zu den Vorgaben der HOAI, verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren vorzuschreiben, hat allerdings der EuGH vom 4. Juli 2019 festgestellt, dass das Beibehalten dieser Regelungen gegen sekundäres Unionsrecht verstößt. Daher sind diese Vorgaben für die hier erforderliche Honorarkalkulation zum Zuschlagskriterium Preis nicht mehr anzuwenden…
Für die Anwendung des Zuschlagskriteriums Preis folgt daraus, dass nach § 76 Abs. 1 Satz 2 VgV die Maßgaben der HOAI für verbindliche Mindest- oder Höchstsätze durch die Ag nicht verbindlich vorgegeben werden durften.
Fazit:
Die Nichtanwendbarkeit der Honorarvorgaben gemäß § 7 Absatz 1 HOAI steht somit für Vergabeverfahren fest. Ausdrücklich weist die Vergabekammer darauf hin, dass die unmittelbare Anwendung und Beachtung der Rechtsprechung des EuGH allerdings nur im Verhältnis zwischen Bürgern (Planern) und staatlichen Stellen (öffentliche Auftraggeber) erfolgen muss. Im Verhältnis zwischen ausschließlich privatrechtlichen Personen gilt dies nicht.